Anfang des Jahres bin ich eher zufällig über die Infoveranstaltung meiner Universität zum Erasmus gestolpert. Ich hatte bis dahin nicht die Absicht ein Erasmus zu machen, habe mich aber einfach mal beworben und wurde für meinen Erstwunsch Aberystwyth angenommen. Aberystwyth ist eine walisische Küstenstadt, die zwischen der Irischen See und den Cambrian Mountains liegt. Ich wollte hierher, weil einerseits die Universität einige Module in meinem Schwerpunkt Kriminologie anbietet, die so tiefgehend in Deutschland nicht behandelt werden. Andererseits liegt die Stadt zentral in Wales, am Meer und in den Bergen und ist so ein Paradies für Natursport und Abenteuer. Während des Brexits und Corona nach Großbritannien zu gehen, sollte allerdings umständlicher werden, als ich anfangs noch gedacht habe.
ERASMUS+
Das Erasmus+ ist dafür bekannt geworden, Studenten ins Ausland zu schicken. Sie fördern den europaweiten Austausch aber auch auf vielen anderen Bildungsebenen, was sie hauptsächlich durch Stipendien ermöglichen. Eigentlich sind diese nicht an die EU gebunden, so kann man über das Erasmus+ auch nach Norwegen oder in die Türkei gehen. Seitdem 2021 aber der letzte Vertrag ausgelaufen ist und Großbritannien sich aufgrund des Brexits nicht weiter beteiligen möchte, müssen unsere Aufenthalte aus alten Fördertöpfen bezahlt werden. Ob es die Möglichkeit ohne Studiengebühren und mit Stipendium in der UK zu studieren noch in Zukunft geben wird, ist ungewiss. Als Jurastudentin habe ich zum Glück auch nicht so strenge Anforderungen an die Förderung wie andere Studiengänge. Diese dürfen nur so lange bleiben und nur solche Module belegen, wie sie ihnen Zuhause angerechnet werden. Da mir sowieso fast nichts angerechnet werden kann, weil ich für das Examen deutsche Scheine brauche, kann ich meine Zeit und Module gewissermaßen nach Interesse wählen. Für mich gelten also nur 2 Regeln: Module an einer Juristischen Fakultät zu belegen und diese im Wert von 30 ECTS pro Semester.
DIE BEWERBUNG
Eigentlich hatte ich keine großen Hoffnungen wirklich ins Ausland zu gehen, trotzdem wollte ich es versuchen. Zuerst musste ich mich zum 1. März in Heidelberg mit einem Sprachtest, meinen Noten, einem Motivationsschreiben und Lebenslauf bewerben. Dabei gibt man 4 Wunschziele an, ich wollte am liebsten nach Aberystwyth in Wales. Alternativ habe ich Krakau, Istanbul und Thessaloniki gewählt. Schon Ende März bekam ich die Rückmeldung, dass ich von Heidelberg in Aberystwyth nominiert werde. Nominiert deshalb, weil man an der ausländischen Uni erst noch eine Bewerbung durchlaufen muss, die in der Regel aber reine Formsache ist. Dafür musste ich erneut meine Noten und eine Kopie meines Reisepasses einreichen. Außerdem ein akademisches Gutachten, für das allerdings eine kurze Eignungsfeststellung durch das Erasmusbüro ausreichte. Zudem musste ich den Sprachtest einreichen, für den aber eine Kategorie fehlte und schriftlich durch meine Uni bestätigt werden musste. All diese Anforderungen waren neu, weil in diesem Jahr der erste Austausch nach dem Brexit stattfand und die Unterlagen für das Visum notwendig waren. Die Absprachen zwischen den Unis waren teilweise kompliziert, ich wurde aber weder von Heidelberg noch von Aberystwyth jemals hängen gelassen.
DAS VISUM
Vor Antritt des Studiums musste ich mich für ein Visum bewerben. Bei einem Aufenthalt von 6 Monaten braucht man ein Besuchervisum, bei einem Jahr ein Studentenvisum. Nur dieses berechtigt Studenten in der Vorlesungszeit 20 Stunden die Woche und in den Ferien Vollzeit zu arbeiten. Für die Bewerbung waren die gleichen Dokumente notwendig, die ich schon bei der Uni eingereicht hatte sowie deren offizielle Zusage. Die Bewerbungsgebühr für das Studentenvisum über 12 Monate kostete £348. Dafür muss man aber erst einmal eine Krankenversicherung für den Zeitraum abschließen und die kostet £475. Umgerechnet habe ich 1004€ nur für das Visum gezahlt. Wenn ihr dem Jahr nicht arbeitet, könnt ihr eine Rückerstattung der Krankenversicherung beantragen. Das Verfahren ist aber relativ einfach, die Dokumente habt ihr sowieso, die Krankenversicherung wird euch vorgeschrieben und die biometrischen Daten könnt ihr als Europäer einfach in der App UK Immigration hochladen. Ihr bekommt kein schriftliches Visum, sondern einen Code, den ihr zur Überprüfung verschicken könnt. Es fragt auch niemand am Flughafen danach, die Uni braucht den Code nur, um die Kurse registrieren zu können.
COVID-19
Großbritannien teilte Länder in 3 Kategorien ein: Green, Amber und Red. Über die genauen Einreisebestimmungen informiert ihr euch am besten auf der Website der britischen Regierung, zumal jedes der 4 Länder in der UK andere Bestimmungen hat und diese sich ständig ändern. Die Bestimmungen gelten unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes. Zum Zeitpunkt meiner Einreise war Deutschland glücklicherweise ein Green List Country und ich zweifach geimpft. Dennoch brauchte ich einen maximal 72h alten Test vor der Abreise, der einige detaillierte Informationen auf Englisch enthalten musste. Zu meinem Glück entsprach der kostenlose Antigentest in meiner Stadt genau diesen Anforderungen, so ich konnte mir wenigstens Zuhause den teuren Test sparen. In Wales musste ich dagegen für £68 einen PCR-Test bestellen, den ich am 2. Tag durchführen musste. Zudem muss man vor Reiseantritt ein Passanger Locator Form ausfüllen, für das man den PCR-Test bereits gebucht haben muss. Ohne die Dokumente wird man nicht in den Flieger gelassen. Bei Amber oder Red List Countries oder je nach Herkunft ohne Impfung können ein weiterer PCR-Test am 8. Tag oder 10 Tage Isolation hinzukommen. Bedenkt, dass der einfache Zwischenstopp auf einem Flug zu einer neuen Einstufung führen kann.
DIE WOHNUNG
Aberystwyth garantiert allen internationalen Studenten ein Zimmer auf dem Campus. Allerdings reicht die Preisspanne von £85 bis £160 die Woche. Ja, hier werden Mieten in Wochen gemessen und halbjährig abgerechnet. Mein Stipendium umfasst aber nur 450€ im Monat, was bedeutet, dass nur die günstigste Unterkunft davon gedeckt wäre. Da ich in dem Jahr zumindest nicht in meinem alten Job arbeiten kann, muss für mich wenigstens die Miete gedeckt sein. Ich wusste nur DASS ich einen Platz bekomme, aber nicht WO! Wäre ich einem der teureren Wohnheime zugewiesen worden, hätte ich in der Stadt suchen müssen! Heute weiß ich, dass private Studentenzimmer in der Stadt im Durchschnitt nur £60-£70 kosten und ausländische Studenten immer Platz in den günstigen Wohnheimen finden. Das wusste ich aber Zuhause nicht, als ich 3 Wochen vor Abreise noch keine Wohnung hatte! Hier macht man sich anscheinend wenig Gedanken darüber, dass wir aus anderen Ländern kommen, Wohnungen gekündigt haben, Flüge und Visa bezahlen mussten. Am Ende ist alles gut gegangen, bis dahin hat mich die Wartezeit aber enorm verunsichert.
ANLAUFSTELLEN IN DEUTSCHLAND
Ärzte: Vor meiner Abreise musste ich mir für 1 Jahr die Pille ausstellen lassen. Das ist zumindest ab 22 Jahren völlig problemlos, wenn die Krankenkasse sie ohnehin nicht mehr übernimmt. Ich habe mir noch eine neue Nachtschiene für die Zähne anfertigen lassen, weil meine alte nicht mehr passte. Ein letzter Besuch beim Zahnarzt bzw. allen regelmäßig besuchten Ärzten kann auch nicht schaden. Allerdings kann man sich in der EU problemlos behandeln lassen und in der UK zahlt man sowieso Krankenversicherung.
Ummeldung: In Deutschland muss man mit einem Hauptwohnsitz gemeldet sein. Da ich meine Wohnung in Heidelberg aufgegeben habe, habe ich mich erst einmal wieder bei meiner Mutter melden lassen.
Rundfunkbeitrag abmelden: Da ich amtlich wieder bei meiner Mutter wohne, konnte ich meinen Rundfunkbeitrag gänzlich abmelden unter dem Aspekt ‚zu einem anderer Beitragszahler gezogen‘. In jedem Fall solltet ihr aber daran denken, die 18,36€ zu sparen.
Beurlaubung von der Uni: Von meiner deutschen Uni wollte ich mich erst beurlauben lassen, wenn alles in festen Tüchern ist. Die Beurlaubung sorgt dafür, dass das Auslandssemester nicht in die Regelstudienzeit einfließt.
DIE ANREISE
Die nächsten Flughäfen von Aberystwyth sind Cardiff, Liverpool, Manchester und Birmingham. Am besten eignet sich allerdings Birmingham, denn nur von hier fährt der Zug durch. Direktflüge gibt es aber nicht aus jeder Stadt, von Hamburg oder Berlin kommt man ohne umzusteigen besser nach Manchester. Ich habe für den Flug mit Lufthansa inkl. Gepäck 150€ bezahlt. Dabei ist mir aber nicht aufgefallen, dass das nur für ein Gepäckstück und eine wirklich kleine Tasche gilt. Ich war davon ausgegangen, dass es eine Zusatzleistung im Vergleich zu billigen Airlines war und man den Koffer nebst Handgepäckkoffer und Rucksack mitnehmen kann. Der Fehler hat mich Flughafen weitere 80€ gekostet. Ich bin am Vorabend mit dem Zug nach Hamburg gefahren, habe dort bei meinem Cousin übernachtet und bin am nächsten Morgen frühzeitig zum Flughafen. Die Zeit habe ich bei den Schlangen am Check-In und an der Security auch gebraucht.
In Birmingham wurden wir von dem sogenannten Meet & Greet Service der Uni abgeholt. Am Ausgang der Arrivals standen bereits mehrere Studenten, mit den meisten von ihnen bin ich heute noch gut befreundet! Wir wurden zum Bus geführt, bekamen Lunchbeutel, unsere Zimmerschlüssen, Studentenausweise und Unterlagen, die uns die ersten Tage erleichtern sollten. Dieser Service war unglaublich gut, weil uns dadurch viele „Behördengänge“ abgenommen wurden! Und das Beste ist: Er war kostenlos! Wir sind knapp 4 Stunden gefahren, der Zug braucht ähnlich lange. Wir wurden direkt vor unserem Wohnheim abgesetzt und haben schnell festgestellt, dass wir bereits zu 6. in unsere 8er WG einziehen. Wir waren durch den Service 10 Tage zu früh dort, allerdings konnten wir uns in diesen 10 Tagen kennenlernen und zusammenwachsen.
KOSTENÜBERBLICK
- Sprachtest 35€
- Visum und Krankenversicherung 1004 €*
- Abschluss des Mietvertrages 120 €
- Miete im Studentenwohnheim 430 € im Monat
- PCR-Test in Wales 80 €
- Flug mit Gepäck 150 € + 80 € Handgepäckkoffer
- Umzugskarton mit Hermes 38 € + 115 € Zollgebühren**
- Abholung am Flughafen kostenlos
- Miete kompensiert durch Stipendium
*Die Krankenversicherung kann man unter bestimmten Umständen zurückerstattet bekommen.
**Wer als Student in die UK umzieht, muss für den Import eigentlich keinen Zoll bezahlen. Der Umzug muss allerdings klar deklariert werden und darüber solltet ihr euch vorab auf der Website des UK Government informieren.
FAZIT
Ehrlich gesagt, hätte ich von Anfang an gewusst, wie viel Geld und Nerven mich dieses Auslandsjahr kosten wird, hätte ich mich vielleicht ganz dagegen oder zumindest für ein EU-Land entschieden. Großbritannien wurde durch den Brexit sehr teuer, das Visum zum Beispiel wäre mir erspart geblieben. Außerdem zahlt man in der UK mit die höchsten Mietpreise in Europa. Dafür ist aber auch das Stipendium angepasst und entsprechend etwas höher als in anderen Ländern. Dennoch hat mein Stipendium gerade einmal die Miete in einer Kleinstadt gedeckt, aber nicht im Ansatz die Verwaltungskosten. Leider kam das Stipendium zudem auch so spät, dass ich das komplette Geld vorstrecken musste. Seinen Zweck, Menschen mit wenig Geld ein Auslandsjahr zu ermöglichen, hat das Programm damit leider verfehlt. Wer nicht mindestens 3000 € mal eben verfügbar hat, kann die Reise nicht antreten. Das Stipendium wird in zwei Raten ausgezahlt, die ersten 70% im Oktober und die anderen 30% nach Beendigung des Aufenthalts. Ich werde etwa 450 € pro Monat bekommen, aber das ist je nach Zielland unterschiedlich. Kosten für Visum, Anreise, Lebensmittel, Lernmaterialien oder Kultur sind nicht drin. Ihr müsst das Geld selbst haben, euch wird davon lediglich einiges zurückgegeben.
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