Die Insel Neuwerk liegt etwa 10 km vor der Küste von Cuxhaven, gehört aber offiziell zu Hamburg. Sie wird zwar von einer Fähre angefahren, viel spannender lässt sich die kleine Insel bei Ebbe aber auf einer Wattwanderung, einem Ausritt oder einer Kutschfahrt über den trockenen Meeresboden erkunden. Ich bin fest überzeugt, dass dieses Erlebnis, im Watt vom Festland bis zu einer Insel zu laufen, zumindest in Deutschland einmalig ist! Diese Wattwanderung von Cuxhaven nach Neuwerk war letzten Sommer mein erstes kleineres Abenteuer nach meiner Rückkehr aus Wales und hat mir gezeigt, wie viel es auch noch in Deutschland zu entdecken gibt, wenn man nur die Augen offen hält.
Wie plant man seine erste Wattwanderung auf eigene Faust?
Als wir beschlossen nach Neuwerk zu wandern, hatten wir keine Ahnung vom Wattwandern, wann man losgehen sollte oder wie lange man braucht. Normalerweise sollte man in dieser Situation eine geführte Wattwanderung wählen, um nicht versehentlich der Flut zum Opfer zu fallen. An dem Morgen, den wir uns ausgesucht hatten, gab es allerdings keine geführten Touren und wir mussten ohnehin etwas Geld sparen. Wir haben also auf den Websites der Anbieter recherchiert, wann sie losgehen und wann an den entsprechenden Tagen Niedrigwasser ist. Führungen starten etwa 1,5-2h davor und kommen etwa 1h nach dem niedrigsten Stand des Wassers auf der Insel an. Daran haben wir uns orientiert, auch wenn die geführten Touren natürlich oft stehen bleiben. Aber gerade deswegen würde ich noch einmal eine geführte Wanderung machen, weil man dabei so viel über das Watt lernen kann!
Aufstehen um 2.30 Uhr, um das Niedrigwasser zu erwischen
Wir orientierten uns an den geführten Touren, die etwa 1,5-2h vor Niedrigwasser starten. Das sollte an unserem Samstag im Juni eigentlich 8.30 Uhr sein, also planten wir um 6.30 Uhr aufzubrechen und um 5.30 Uhr an der Kaserne loszufahren. Am Abend vorher checkten wir zur Sicherheit noch einmal die Gezeiten und plötzlich war das Niedrigwasser für 5.30 Uhr angesagt. Wir hatten nun 2 Möglichkeiten, entweder wir sagen den Ausflug ab, könnten ihn aber während meiner Zeit in Seedorf nicht wiederholen und würden stattdessen den ganzen Samstag nichts tun. Oder wir stehen um 2.30 Uhr auf und ziehen es durch. Natürlich taten wir genau das, wir saßen also um 3.00 Uhr im Auto und fuhren nach Cuxhaven.

Einsam wattwandern unter lila Wolken
Nach unserem ursprünglichen Zeitplan hätten wir schon um 2.30 Uhr losfahren müssen. Wir starteten also schon eine halbe Stunde zu spät und dann dauerte auch noch die Fahrt eine halbe Stunde länger. Wir kamen also gegen 4.30 Uhr in Cuxhaven an, nur eine Stunde vor Niedrigwasser. Die ausgewiesene Strecke von Sahlenburg nach Neuwerk beträgt 10 km, von Cuxhaven-Duhnen sogar 12 km. Da wir nicht wussten wie schnell das Wasser zurückkommen würde, hatten wir es etwas eilig. Im Notfall stehen entlang der markierten Strecke aber immer wieder Rettungstürme, wenn man doch vom Wasser überrascht werden sollte. Wir hatten auch weniger Angst vor dem Wasser selbst. Vielmehr hatten wir Angst, die naiven Trottel aus den Nachrichten zu sein, die von der Feuerwehr aus dem Watt gerettet werden müssen.

Der Himmel über dem Meer war wunderschön lila als wir in Cuxhaven Sahlenburg aufbrachen. Wir waren ganz allein, niemand sonst ging so früh ins Watt. In den letzten verbliebenen Wasserlöchern konnten wir massenweise Krabben und Einsiedlerkrebse beobachten. Wir kamen sogar an einem kleinen Wasserfall quasi mitten im Meer vorbei. In jedem kleinen Wasserloch, in dem wir stehen blieben, nagten winzige Fische an unseren Füßen. Überall lagen riesige Austern im Sand und entsprechend viele Austernfischer konnten wir sehen. Während der gesamten 10 km haben wir um diese Uhrzeit keine Menschenseele getroffen.


Als wir um 5.30 Uhr gerade einmal die Hälfte des Weges geschafft hatten und ab jetzt die Flut angekündigt war, nahmen wir die Beine in die Hand. Wir kürzten sogar durch einige Priele ab, um die der Weg normalerweise herumführt. Wir wussten nicht wie tief diese Wasserarme sein würden und riskierten noch mehr Zeit zu verlieren, wenn wir noch einmal umkehren müssten. Glücklicherweise waren die Priele zum Niedrigwasser aber nur knietief. Wir haben darin wohl eine etwa 20 cm große Krabbe überrascht, die plötzlich vor unseren Füßen davonrannte und eine große Staubwolke hinter sich aufwirbelte.

Wie schnell kam die Flut tatsächlich zurück?
Um 5.30 Uhr setzte die Flut ein und selbst um 6.00 Uhr schien die Insel immer noch nicht näher zu kommen. Wir hatten minimal Angst im Rettungsturm zu enden und zogen das Tempo an. Letztlich kamen wir etwa gegen 6.45 Uhr auf Neuwerk an und das Wasser? – Noch nicht zu sehen. Das Wort „Flut“ hört sich an, als käme das Wasser schnell und in großen Wellen zurück, tatsächlich aber steigt es nur langsam wieder an. Die Insel liegt natürlich auf einem Hügel, logisch, denn sonst würde ja auch sie mit der Flut verschwinden. Dadurch steigt der Meeresboden schon einige hunderte Meter vor der Insel leicht an, wodurch man wiederum Zeit gegenüber der Flut gewinnt. Als wir um 8.00 Uhr den Strand verlassen haben, hatte das Wasser die Insel noch immer nicht erreicht. Als wir bei Hochwasser zum Baden zurückkamen, ging mir das Wasser selbst 100 m vom Strand entfernt nur bis zu den Knien. Man sollte Wattwanderungen sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen, ertrinken wird man zwischen Cuxhaven und Neuwerk aber nicht, solange man die Gezeiten grob im Auge behält.

Die Insel Neuwerk
Nachdem wir auf Neuwerk ankamen, legten wir uns gleich einmal mit unserer Picknickdecke am Strand ins Gras und holten den Schlaf von 2.30 Uhr nach. Am Nationalparkhaus unweit des Strandes fanden wir nicht nur kostenlose Toiletten, sondern auch Fußwaschanlagen extra für Wattwanderer. Als wir uns um 8.00 Uhr genug ausgeruht hatten, konnten wir endlich aufbrechen und die Insel erkunden. Wir gingen auf dem Deich entlang in Richtung der Ostbake, wo man zumeist auch in die Salzwiesen gehen kann. Zur Brutzeit der Seevögel sind die für Besucher aber natürlich gesperrt. Also gingen wir weiter auf dem Deich, vorbei an weidenden Kühen und Pferden. Durch die Sperrung der Salzwiesen konnten wir gerade einmal die Hälfte der Insel begehen, die andere Hälfte besteht wirklich nur aus Wiesen.

Auf dem Deich kann man die Insel in etwa 4 km und 40 min umrunden. Wer hier morgens laufen geht, läuft einfach mehrfach um die Insel. Neuwerk hat gerade einmal 25 feste Einwohner, aber jährlich rund 100.000 Besucher. Auf dem Weg um die Insel kommt man an Hotels, Cafés, Feriencamps, Restaurants und der Inselfeuerwehr vorbei. Am Schiffsanleger kommt 1-2 Mal täglich eine Fähre an, die wir bewusst weder hin noch zurück nehmen wollten. Hier werden Besucher und ihre Koffer von Traktoren mit Anhängern abgeholt und zu den Hotels gefahren.
Mittags kehrten wir im Alten Fischerhaus ein und bestellten beide einen sehr leckeren Neuwerker Pannfisch. Nachdem wir heute schon 13 km gelaufen sind, kam hier im Schatten des Restaurants endlich ein Urlaubsgefühl auf! Danach wollten wir die Inselmitte und den Leuchtturm erkunden. In dem gibt oder gab es die Leuchtturmschenke, die aber leider geschlossen war und zwar schon länger wie es schien. Der Turm, 1376-1379 erneuert, ist nicht nur das älteste erhaltene Gebäude der Insel sondern ganz Hamburgs. Er bekam erst 1814 sein Leuchtfeuer, das bis heute für die Schifffahrt brennt. Die Dorfmitte hätte viel Potenzial, wenn man einen Dorfladen, ein Café oder einen kleinen Marktplatz errichten oder die Turmschenke wiedereröffnen würde. Stattdessen liegen hier aber leider nur die geschlossene Turmschenke, eine Jugendherbe und ein kleiner Imbiss.

Im Sommer ist es auf der Insel unglaublich warm. Natürlichen Schatten gibt es kaum, man ist der Sonne permanent ausgesetzt und das hat sogar uns zu schaffen gemacht. Wir wollten uns beim Baden abkühlen und da Neuwerk an das Naturschutzgebiet Wattenmeer Zone 1 grenzt, geht das nur auf der Westseite der Insel. Dafür kommt eigentlich nur die Stelle in Betracht, an der wir nach der Wanderung auf die Insel gekommen sind. Einen Strand hat Neuwerk nicht, die Insel ist entweder vom Naturschutzgebiet oder Steinmauern begrenzt. Also breiteten wir unsere Picknickdecke wieder aus und gingen ins Meer. Nach 100 m stand ich noch immer knietief im Wasser, setzte mich einfach auf den Meeresboden und beobachtete die Segelboote um mich herum.
Reger Tourismus auf dem Rückweg
Gegen 17.30 Uhr sollte das nächste Niedrigwasser kommen, aber schon um 15 Uhr ebbte das Wasser sichtlich ab. Wir hatten die ganze Insel gesehen und litten mittlerweile unter der starken Sonne, also beschlossen wir zu gehen. Schon auf den ersten Kilometern kamen uns Pferdekutschen voller Touristen im knietiefen Wasser entgegen. Von der Insel kamen zwei Traktoren und ein Feuerwehrauto, die zur Wartung ans Festland mussten. Die Traktoren fuhren immer voraus, um zu sehen, ob das Wasser schon gangbar für das Feuerwehrauto war. Vermehrt kamen uns auch Reiter und Wanderer im Watt entgegen, die jetzt noch auf die Insel gingen. Uns aber war die zweite Ebbe zu spät und wir hätten die Nacht auf der Insel verbringen müssen.



Hierfür würde ich wiederkommen
Auf dem Rückweg kamen wir an einigen geführten Wattwanderungen vorbei und fanden das was dort erzählt wurde eigentlich ganz interessant! Wir erfuhren im Vorbeigehen zum Beispiel von alten Munitionsbergen mitten im Meer und über die Tiere, die hier im Meeresboden leben. Das wäre definitiv eine Idee für das nächste Mal!
Viel eher möchte ich aber unbedingt noch einmal einen Wattausritt machen. Auch von denen kamen uns in Cuxhaven viele entgegen und kaum etwas bietet einem mehr Freiheit, als durch das schier endlose Watt zu galoppieren.

Was für ein Abenteuer. Aber unglaublich gefährlich… Denkt bitte auch an Schlick- und Treibsandgebiete, Kompass (Seenebel kann die Sicht aufs Festland versperren), und bitte bitte bei beginnender Flut nicht in die Priele gehen. Hier sammelt sich das Wasser zuerst. Gerade aus der Gegend um Cuxhaven findet man viele Nachrichtenberichte von Menschen (zu Pferd und zu Fuß), die in Seenot gerieten. Bei so langen Touren würde ich immer einen Guide dabei haben! Bin froh, dass bei euch alles gut ausging ❤
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Hallo Marie, vielen Dank für deinen Kommentar! Die Strecke von Cuxhaven nach Neuwerk ist markiert, man kann sich also nicht verlaufen. Wenn man nicht gerade um 4 Uhr morgens unterwegs ist, ist auf der Strecke auch sehr viel Betrieb und man ist eigentlich nicht allein. Wir waren auf der Wanderung zu keinem Zeitpunkt auch nur leicht in Gefahr. Trotzdem vielen Dank für deine Tipps!
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