Anfang 2018 wurde Georgiens größtes Skigebiet weltweit durch dieses absolute Horrorvideo bekannt. Ein Skilift fährt mit Höchstgeschwindigkeit rückwärts, Skifahrer werden meterweit aus dem Lift geschleudert, acht Menschen werden bei dem Unglück verletzt. Das Video kannte ich schon länger, dass es ausgerechnet aus Gudauri stammt, habe ich aber nur durch Zufall und erst lange nachdem wir gebucht hatten erfahren.
Gudauri war ursprünglich eine kleine Poststation, an der Postkutschen ihre Pferde wechselten. Heute ist es ein ganzes Skiresort, das noch irgendwo zwischen Geheimtipp und einer neuen Hochburg des Tourismus liegt. Über den Kaukasus hinaus ist Gudauri vor allem für günstiges Heliskiing bekannt und zieht mittlerweile Menschen aus der ganzen Welt an. Dennoch ist es immer noch unbekannt genug, dass wir damals kaum etwas gefunden haben, womit sich wirklich planen ließ. Deshalb habe ich hier alles zusammengeschrieben, was ich über Gudauri für wichtig und wissenswert halte.
DIE REISE IN DEN KAUKASUS
Wer meinen Beitrag über unsere 17 Tage Backpacking kennt, wird wissen, dass die Marshrutka der einzig wahre Weg ist in Georgien zu reisen. Die Hotels bieten zwar Shuttles vom Flughafen an, aber so teuer muss man hier nicht reisen. Vom Flughafen Tbilisi fahren 24/7 Busse in die Stadt, für knapp 20 Cent. Vom Liberty Square nehmt ihr die Metro nach Didube, weitere 20 Cent. Dort findet euer Bus euch, Touristen fallen auf, man wird direkt angesprochen und zum richtigen Bus gebracht. Für den Hinweg haben wir also etwa 7€ pro Person gezahlt, für den Rückweg nur noch 3€. Man muss ein bisschen verhandeln und nicht dem erstbesten Angebot zusagen. Dennoch zahlt man auf diesem Weg nicht mehr als 8€ statt 30€ für einen Shuttle. Die Marshrutkas fahren genauso alle Hotels in Gudauri an, damit man den Berg nicht hoch laufen muss.

APARTMENTS UND HOTELS
In Gudauri wird stark investiert, wo vor 20 Jahren nur das Marco Polo stand, findet man heute ein ganzes Resort. Ich hatte das Gefühl die meisten online angebotenen Unterkünfte waren Apartments. Am besten fahrt ihr aber mit einem Hotel, denn die kosten das Gleiche nur mit Service. Ernsthaft, Selbstversorgung ist hier nicht ganz einfach. Abgesehen davon, dass unsere Küche echt bedürftig ausgestattet war, fehlt ein bisschen die Struktur um ausgewogen einzukaufen und zu kochen. Die Restaurants sind auch einfach zu gut und günstig, um am Essen zu sparen. Für 5€ wird man hier gut satt.

MEIN TIPP
Müsste ich mich noch einmal entscheiden, stünden genau zwei Möglichkeiten zur Auswahl:
1. Das Gudauri Loft Hotel, denn das hat einen tollen Indoor Pool auf dem Dach mit Panoramablick auf die Berge. Der ist nur für Hotelgäste kostenlos, alle anderen zahlen 23€ Eintritt. Außerdem haben sie ein Restaurant mit Dachterrasse, ein Skidepot mit verschließbaren Spinten und man stolpert aus dem Hotel direkt auf die Piste.
2. Alles in New Gudauri, denn mit New Gudauri entsteht eine ganze Stadt neu. Hier tobt das Leben, hier sind die Restaurants, die Bars und der beste Zugang zur Piste. Die meisten außerhalb nehmen sich jeden Abend Taxis oder man bucht eben gleich hier.
IDYLLE ODER TOURISMUSWAHNSINN
Meine große Hoffnung an Gudauri war es ein menschenleeres Skigebiet zu finden. Immerhin kennt es ja kaum jemand oder alle halten es für altmodisch und rückständig. Mir war bewusst, dass Gudauri der Skiort im Kaukasus ist. Aber dass die Leute aus Moskau, Amerika und Frankreich anreisen habe ich nicht erwartet. Auch überraschend viele Deutsche haben in Gudauri ihr neues exotisches Skigebiet mit günstigem Heliskiing gefunden und kommen teilweise schon seit Jahren her. Wirklich gewundert haben mich aber die vielen Touristen, die im Skigebiet ohne Board auf den Berg fahren nur um Fotos zu machen. Nicht einmal wandern, wirklich nur Fotos.😄Aber ich will mich nicht beschweren, denn die Pisten und Lifte waren mitten im Februar tatsächlich recht leer.

SKIPASS UND VERLEIH
Skipässe bekommt man an jedem Lift für wenig Geld. Obwohl immer mehr Leute kommen, bleiben die Preise noch relativ konstant. Wir haben für 4 Tage 186 Lari, also 63€ gezahlt, für 35 Kilometer Piste, 15 Lifte und Tiefschnee. Wir hatten anfangs befürchtet keinen vernünftigen Verleih zu finden, weil man dazu nichts im Internet sieht. Aber ich kann euch beruhigen, mit dem wachsenden Skitourismus gibt es mittlerweile natürlich auch an jeder Ecke Skiverleihe. Ich wusste gar nicht, dass man sogar Skikleidung ausleihen kann. Ist das bei uns auch ein Ding? Wir waren nur etwas schockiert, wie unsere Boards aussahen. Wenn wie dieses Jahr wenig Schnee liegt gucken überall auf der Piste Steine durch. Die Boards und Ski sind natürlich dementsprechend stark zerkratzt.
Deswegen der Tipp: Macht euch nicht die Mühe eure eigenen Bretter um die halbe Welt zu schleppen, am Ende sind sie wahrscheinlich völlig zerkratzt!

SCHNEESICHERHEIT
Dieses Jahr kämpft Gudauri wie alle europäischen Skigebiet mit Schneemangel. Ganze 8 Meter Schnee lagen dieses Jahr zu wenig! Die ersten Tage war es wenigstens noch windig. Wenn schon kein neuer Schnee kam, hat der Wind den alten wenigstens etwas glatt geweht. Über die Tage wurde es aber immer wärmer, wir hatten 15 Grad und Sonnenschein und auf unter 2500 Metern ließ es sich mit Jacke und Helm nicht mehr aushalten. Der Schnee ist allmählich geschmolzen und wirklich fahren konnte man am Ende nur noch auf über 2500 Metern. Wir haben natürlich den dümmsten Fehler gemacht und sind bei knallender Sonne ohne Sonnenschutz und Skibrille auf die Piste. Die Quittung bekamen wir am nächsten Tag, ich konnte 3 Tage nicht ohne Sonnenbrille aus dem Haus, weil ich mir die Augen verblitzt habe.
PISTE ODER FREERIDING
Unter dem wenigen Schnee haben natürlich auch die Pisten gelitten, denn die verlassen sich jedes Jahr auf ausreichend Schnee, der die scharfen Felsen bedeckt. Wenn das mal nicht passt, zerkratzt man sich ordentlich die Bretter. Aber wenn hier sonst wirklich 8 Meter mehr Schnee liegen, kann ich verstehen, dass sich darüber niemand Gedanken macht.

Die Pisten ziehen sich von 3200 bis auf 2000 Meter Höhe. Blaue, rote und sogar grüne Pisten gibt es genug, nur schwarze Pisten sucht man vergeblich. Aber dafür gibt es ja die Freeriding Zonen. Leider hat wirklich jede blaue Piste mindestens einen Ziehweg. Auf Ski mag das noch gehen, aber mit dem Snowboard hieß das hüpfen, kriechen, abschnallen und laufen. Ganz uncool fanden wir den Kobi Pass, denn den sind wir wegen der Ziehwege fast komplett runter gelaufen. Das Problem ist leider, dass die Pisten einfach schlecht gezogen sind. Die ewigen geraden Strecken hätte man leicht umgehen können. Das machen die meisten auch einfach, offiziell ist es zwar verboten abseits der Pisten zu fahren, aber alle machen es und keinen interessiert’s. Nicht einmal die Pistenpolizei – ja, die gibt es wirklich.
Freeriding ist eigentlich extra ausgeschrieben und wird auch gern genutzt. So gern, dass der Tiefschnee ohne den nötigen Neuschnee nach einer Weile komplett ausgefahren ist. Und da es eben Freeriding ist, werden die Strecken nicht geschoben und bleiben ausgefahren bis es wieder schneit. Zusammen mit den geraden und steinigen Pisten führt das halt dazu, dass kurzerhand das ganze Skigebiet zur Freeriding Zone wird. Alle fahren kreuz und quer und überall wo der Schnee noch gut aussieht.
SO WAR ES WIRKLICH
Am ersten Tag war das Wetter einfach beschissen. Vor Nebel hat man nichts gesehen. Da es nachts noch gefroren hat, tagsüber aber schon warm war, waren die Pisten völlig vereist. Um gerade einmal 14 Uhr waren wir alle unabhängig voneinander wieder am Apartment und hatten einfach keinen Bock mehr. Ein paar Snowboarder aus Frankreich, die wir beim Mittag trafen, wollten schon nach dem ersten Tag das Handtuch werfen und heimfahren.

Neuer Tag, neues Glück. Über Nacht fiel neuer Schnee und tagsüber schien endlich mal die Sonne. Die Freude hielt aber auch wieder nicht lange an. Die beiden höchsten Lifte wurden gar nicht erst geöffnet und bis 14 Uhr waren alle Lifte wegen starken Windes zu. Nur ein kleiner Tellerlift und der Sessellift ganz unten waren noch geöffnet und total überlaufen. Im Endeffekt haben wir länger gewartet, als wir auf der kurzen Piste gefahren sind.
Das Wetter war aber so schön, dass blöd rumsitzen auch keine Option war. Nachdem ich die Schaukel in New Gudauri tot geschaukelt habe, beschloss ich wenigstens ein paar Meter auf den Berg zu laufen. Wenig fahren ist besser als gar nicht, für einen Motorschlitten bezahlen wollte ich aber auch nicht. Da den Rest des Tages alles zu blieb, fuhren schon die Pistenraupen und einige waren so clever und haben sich einfach mitnehmen lassen. Ich dagegen habe jetzt nicht so viele Höhenmeter zurückgelegt, bin aber so weit gelaufen wie ich Bock hatte und hatte wenigstens ein bisschen was zu tun.

Die letzten zwei Tage waren dafür umso schöner. Das Wetter war perfekt, alle Lifte waren geöffnet und wir konnten endlich die Zeit nutzen, alle Pisten und sogar die Freeriding Area auszuprobieren. Nur weil das Wetter so schön war und kein neuer Schnee fiel, war der Tiefschnee schnell zur Piste ausgefahren. Übrig blieb die kommenden Tage nur eine riesige ausgefahrene Fläche. Wir haben zum Glück noch richtig schönen Schnee abbekommen und ich war tatsächlich zum ersten Mal überhaupt im Tiefschnee.
Die ewigen Ziehwege auf den blauen Pisten waren mit dem Snowboard echt ätzend. Ständig musste man abschnallen, neu anschnallen, um wenige Meter weiter wieder abzuschnallen und über den Tiefschnee abkürzen ging auch nicht immer. Die Lifte sind mittlerweile auf einem wirklich guten Stand. Wir saßen sogar im Horrorlift aus dem Video und schlimmerweise ist das ausgerechnet der längste und höchste Lift, in dem man bei Höhenangst so schon ungern sitzt. Aber mein Gott, solche Unfälle passieren nur ein Mal.
FOOD UND APRES SKI
Georgische Restaurants, Snacks und Alkohol bekommt ihr auf jeden Fall überall, zum Teil mit richtig toller Aussicht. Soweit ich weiß, hat alles an den Pisten nicht länger auf als die Lifte selbst. Das Leben danach tobt eher in New Gudauri. Im Askaneli kann man richtig gut georgisch essen und in der Drunk Cherry gemütlich was trinken und manchmal zu Livemusik tanzen. Eine Karaoke Bar gab es auch, die war aber überraschend schlecht besucht. Après Ski ist hier zwar kein großes Ding, aber es gibt immer eine Möglichkeit zu trinken- ist halt Georgien. 😉
SICHERHEIT UND STRASSENHUNDE
Sicherheit und Straßenhunde waren schon in meinem letzten Beitrag zu Georgien ein Thema. Viele erwarten in Georgien auf ein Entwicklungsland zu treffen mit zwielichtigen Gestalten an jeder Ecke. Diese Erfahrung haben wir nie gemacht und schon gar nicht in touristischen Gegenden wie Gudauri oder Tbilisi. Außerdem gibt es in wohl kaum einem anderen Skigebiet so viel Pistenpolizei wie hier. 😄 Straßenhunde gibt es wie überall in Georgien sehr viele, sie sind aber auch hier sehr ruhig und friedlich.

Die Welt ist ein Stückchen schöner, wenn man sie mit Hunden teilt!
HIERFÜR WÜRDE ICH WIEDERKOMMEN
Gudauri ist extrem bekannt für Heliskiing. Bei georgischen Anbietern bekommt man 3 Flüge für 300€. Wenn ihr es also machen möchtet, solltet ihr das hier tun. Alternativ bringen euch auch Motorschlitten auf die Berge.
Richtig im Trend liegt hier gerade Paragliding. So sehr, dass die Schirme in Massenabfertigung den Gipfel verlassen. Anbieter müsst ihr nicht suchen, sie finden euch. Überall auf der Piste laufen Promoter, die 15 Minuten Tandemflüge für 300 Lari also 100 € verkaufen. Aber ganz ehrlich, das haben wir sogar in Frankreich an der Dune du Pilat günstiger bekommen.
Wer kann und will sollte unbedingt ins Spa im Gudauri Loft Hotel. Der Pool auf dem Dach hat eine mega Aussicht auf die umliegenden Berge und macht sich nebenbei auch toll auf Fotos. Irgendetwas haben die hier aber mit Pools, schon in Tbilisi mussten wir für einen simplen Pool 15 € zahlen und auch hier sind es 23 €. Dafür hängt hier wenigsten ein ganzes Spa dran und Hotelgäste können kostenlos rein.

Abgelegener liegt das georgisch-russische Freundschaftsdenkmal, zu dem ich auch wollte, nur braucht man dafür wahrscheinlich ein Taxi.

For free sind für alle Tierliebhaber die Hunde und die Schaukel mit Panorama in New Gudauri, die man sich nur mit ein paar Instagram Models teilen muss. #guilty
*Nicht alle Bilder in diesem Beitrag sind meine. Betroffene sind durch Nennung der Quelle gekennzeichnet.
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